Verrat 1

Tagesgedanken Autor Frank Krause
Franks TagesGedanken

Aber Satan fuhr in Judas… der ging hin und besprach sich mit den Hohenpriestern und Hauptleuten, wie er Jesus an sie überliefere. Und sie waren erfreut und kamen überein, ihm Geld zu geben. (Lukas 22,3-5)

Wie konnte das geschehen? Judas war einer der Zwölf, einer des engsten Kreises um Jesus, der drei Jahre lang Nacht und Tag mit ihm gezogen war. Was hatte er alles mit Jesus erlebt!

   Es ist das eine, ob uns Menschen, die uns fern sind, die uns nicht kennen, und ganz offensichtlich gegen uns stehen, wie die Schriftgelehrten und Hohenpriester gegen Jesus waren, einen solchen Verrat begehen oder unsere engsten Freunde. Die, von denen wir es nicht erwarten. Oh wie weh das tut!  

   Obwohl Judas das Licht Gottes in Jesus gesehen hat, die Salbung auf ihm erlebte, die so viele Kranke geheilt und selbst Tote auferweckte; obwohl er das Vorrecht hatte, zu den Zwölfen zu gehören, mit denen er durch dick und dünn gegangen war, „fuhr der Satan in ihn“. Das ist sehr ernüchternd für uns, denn wie steht es angesichts dessen um uns?

   Dem völlig schockierten Petrus macht Jesus kurze Zeit später klar, dass auch er ihn verraten wird. Es wird klar, dass wir alle dazu in der Lage sind.

Von Kapitel zu Kapitel haben wir in den TagesGedanken gesehen, wie alle – ob Volk, Pharisäer oder Jünger – ihre eigenen Vorstellungen darüber hatten, wie Jesus als Messias sein und handeln sollte. Viele seiner Absichten, Worte und Handlungen haben sie nicht verstanden, aber hingenommen, weil sie hofften, dass sich ihre Vorstellungen und Absichten mit Jesus noch erfüllen würden, wenn er erst einmal in Jerusalem eingezogen wäre und im Tempel sitzt.

Hier setzt der Teufel an. Er wirkt auf diese enttäuschten eigenen Erwartungen ein, bis ein Judas glaubt, dass es eigentlich Jesus ist, der ihn und die Sache verraten hat, was dann wiederum ihn legitimiert, Jesus auszuliefern. 

In meiner Zeit als Gemeindeleiter habe ich diesen Mechanismus mehr als einmal erlebt. Leute gelangten zu der Überzeugung, dass sie eigentlich viel besser wussten, was die Gemeinde zu tun hat, als ich. Im Gebet empfingen sie Visionen und Führungen, die das für sie bestätigten. Sie steigerten sich in ihre Enttäuschungen einerseits und ihre Überzeugungen andererseits dermaßen hinein, dass sie sich schließlich berufen fühlten, mich anzuklagen – zum Wohle aller. Dann folgte unvermeidlich die Spaltung der Gemeinde.

   Dies ist sehr knapp formuliert, aber ich habe dieses Muster bei vielen Gemeinden gesehen, die infolge der Spaltungen schließlich komplett kollabierten. Wir müssen also auf unsere enttäuschten und oftmals idealistischen Erwartungen und auf unsere Überzeugungen, das „alles anders laufen sollte“, achten, damit es sich nicht zu einem Verrat à la Judas steigert.

   Mitten in dieser Verrats-Situation „streiten die Jünger darüber, wer von ihnen der Größte sei“ (22,24). Die Versuchung der Größenideen ist für die Enttäuschungen, die zum Verrat führen, ein starker Nährboden. Geht es uns darum, mittels der Gemeinde, mittels Jesus, mittels der Salbung  „groß“ zu werden?

   Auch diesbezüglich verfüge ich über pastorale Erfahrungen! Menschen voller Minderwertigkeit kommen in die Gemeinde und vergreifen sich an Geistesgaben, an Positionen, Ressourcen und Beziehungen, einfach an allem, um sich ins Licht zu rücken, wichtig zu sein, um den Kurs der Gemeinde zu bestimmen, um Bedeutung und Größe zu erlangen. Ab einem gewissen Punkt ist dieses Streben, das dann auch bereit ist, fürs Vorwärtskommen „über Leichen zu gehen“, nur noch als teuflisch zu bezeichnen.

   Das große Problem ist, dass weder die Täter (Judas & Co.) noch die Opfer – die anderen Jünger bzw. die Gemeinde – merken, was vor sich geht.

 „Nicht-merken-was-läuft-bis-es-zu-spät-ist“, das ist für mich ein deutliches Kennzeichen für das Dämonische. Es ist, als läge ein „Zauber“ auf den Leuten.  Sowohl Judas als auch Petrus merken hinterher, was sie getan haben. Aber in der Situation des Verrats haben sie es nicht gemerkt und die anderen Jünger waren wie gelähmt, hingen zwischen den Fronten – und liefen weg, hielten sich raus, schwiegen, machten die Augen zu…  

Judas bringt sich schließlich um und Petrus weint bitterlich. Nicht die bösen Schriftgelehrten und Pharisäer haben Jesus überliefert, nein, sie – die Guten, die Jünger, die Freunde, die Nachfolger – sie haben es getan!

Die Hohenpriester und Hauptleute waren darüber erfreut und unterstützten die Aktion. Klar. Aber der Teufel hatte es geschafft, dass die Brüder sich gegenseitig verraten und ans Messer liefern.