
Wehe euch Gesetzesgelehrten! Denn ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen; ihr selbst seid nicht hineingegangen, und die hineingehen wollten, habt ihr gehindert. (Lukas 11,52)
Dieses Wort ist m. E. nicht nur ein Schlüssel-Vers, weil darin ein Schlüssel genannt wird, sondern weil er uns ein überaus wichtiges Geheimnis des Glaubens mitteilt. Es geht für uns nicht um Gesetzeskunde, um Buchstabentreue und Schriftgelehrtheit. Die Worte Gottes vermitteln nicht nur Informationen, sondern „Geist und Leben“, sie haben in sich das Potential, uns in das hineinzubringen, wovon sie reden. Also sind sie Schlüsseln gleich.
Jesus nennt sich selbst eine „Türe der Schafe“ (Joh. 10,7) und fordert uns auf, nicht nur theologische Theorien über die Türe zu entwickeln und Auslegungen über Johannes 10,7 zu entfalten, sondern durch sie hindurchzugehen auf die andere Seite. Da Jesus auch selbst „das Wort Gottes“ genannt wird, können wir daraus schließen, dass alle Worte von Gott eine Türe sind, durch die hindurch es in das, wovon sie sprechen, hineinzugehen gilt.
Aber diese Schlüssel und Zugänge funktionieren erstens nur „in Christus“ und zweitens nur „im Heiligen Geist“. Man kann die Bibel „in Christus“ und andererseits auch „außerhalb von Christus“ lesen – rein mit dem menschlichen Verstand und nicht unter der Inspiration des Heiligen Geistes. Da es alles geistlich verstanden sein muss, braucht es eine Erleuchtung, Erklärung, Offenbarung des Heiligen Geistes, um die Worte in ihrem Wesen, Türen hinein in die dahinter liegenden Realitäten zu sein, zu erkennen und zu benuten. Darüber redet ausführlich das 2. Kapitel des 1. Korintherbriefes. Den Heiligen Geist aber finden wir nur „in Christus“.
Diesen „Schlüssel der Erkenntnis“ weggenommen zu haben, klagt Jesus die Gesetzesgelehrten an. Sie wissen eine Menge über vieles, was die Schrift sagt, gehen aber selbst nicht hinein und hindern auch noch die anderen daran, einzutreten. Man kann an ihnen vorbei nicht in die Dinge Gottes eintreten. Jedenfalls nicht zu Lebzeiten. Immer stehen sie im Weg!
Was uns die Hoffnung gibt, nach unserem Ableben auf Erden in die himmlische Wirklichkeit einzutreten, ohne je zuvor auch nur die geringste Erfahrung damit gemacht zu haben, halte ich für fragwürdig. Wenn man die Türe nie benutzt hat, wie sollte man sich dann auf einmal „automatisch“ auf der anderen Seite wiederfinden? Nirgendwo legen uns die Evangelien oder der Rest des Neuen Testamentes nahe, wir müssen erst gestorben sein, um etwa vor dem Gnadenthron zu erscheinen. Ganz im Gegenteil werden wir massiv dazu aufgefordert, JETZT zu kommen und freimütig von ihm zu empfangen, was er uns ermöglicht (Hebr. 4,16; 10,19-22). Der nötige Tod, um in die heiligen Räume einzutreten, ist bereits geschehen. Jesus, als das Lamm Gottes, hat die Sünden der Welt auf sich genommen und hat sie mit in den Tod genommen, damit unser Tod nicht mehr nötig ist, um ins Heiligtum einzutreten.
Jedes Wort Gottes kann und will sich in uns, an uns und durch uns erfüllen – in Christus, der uns in den Heiligen Geist tauft, der uns wiederum in die „ganze Wahrheit“ tauft. Das kann man auch als einen Weg der „Initiation“ bezeichnen. Durch Studieren und Wissen kann man diesen Weg gar nicht verstehen und gehen, es geht um eine ganz andere Art der (geistgewirkten) Offenbarung, die uns auch verwandelt, also nicht nur informiert, sondern transformiert.
Das ganze Christsein ist ein anhaltender, geistgewirkter Verwandlungsprozess, durch den wir immer tiefer in das Heiligtum der Gegenwart Gottes hineingehen – von Herrlichkeit zu Herrlichkeit – in Christus und im Heiligen Geist.