Vom Töten und Vertreiben

Darum hat auch die Weisheit Gottes gesagt: Ich werde Propheten und Apostel zu ihnen senden, und einige von ihnen werden sie töten und vertreiben, damit das Blut aller Propheten, das von Grundlegung der Welt an vergossen worden ist, von diesem Geschlecht gefordert werde: von dem Blut Abels an bis zum Blut des Zacharias, der zwischen dem Altar und dem Haus umkam; ja, sage ich euch, es wird von diesem Geschlecht gefordert werden. (Lukas 11,49-51)

Mit diesen Worten setzt Jesus die Schriftgelehrten, die ja alles über die Propheten wissen – von Abel bis Zacharias und über den verheißenen Messias sowieso –, weiter unter Druck. Er versucht, ihnen klar zu machen, dass ihr Selbstbild völlig neben der Realität (also der Wahrheit) liegt und sie, da sie sich ja als Schriftgelehrte verstehen und als von Gott legitimierte Leiter seiner Gemeinde betrachten, nun auch gefordert sind, sich im Lichte der prophetischen Geschichte selbst zu beurteilen: Sind sie nun die aktuelle Fortsetzung der von Gott gesandten Propheten und Apostel oder aber von deren Gegnern, die sie seit jeher töten und verfolgen? Sie werden ja auch ihn, Jesus, bald töten und dann immer weiter die Propheten und Apostel durch alle Jahrhunderte hindurch bis heute verfolgen.

Manche Christen stellen sich die Frage, wo die Propheten und Apostel eigentlich abgeblieben sind? Tatsächlich haben viele nicht mal mehr eine Idee davon, was das Prophetische und Apostolische überhaupt sein soll und wofür es das braucht. Ihre Gemeinden funktionieren tadellos ohne sie.  Laut Epheser 4, wo es um den „fünffältigen Dienst“ geht, sollte die Gemeinde jedoch nicht ohne sie funktionieren und hat ohne sie logischerweise auch keine Chance, apostolisch und prophetisch zu sein. Das ist sie ja auch weithin nicht, sondern einseitig pastoral.

Der Grund, warum es einen solchen Mangel an Propheten und Aposteln gibt, liegt einerseits darin, dass die Kirche in vielen ihrer Ausprägungen ganz bewusst darauf verzichtet und behauptet, dass es diese „Ämter“ heute weder braucht noch gibt. Das ist m. E. recht anmaßend. Und damit setzt sich dann andererseits das unheilige Spiel und die teuflische Geschichte fort, dass selbst im Hause Gottes die Propheten und Apostel „getötet“ werden – wie Zacharias „zwischen Altar und Haus“. Wie viele werdende Propheten und Apostel von der Gemeinde selbst schon verhindert und zum Schweigen gebracht wurden, je nachdem auch diffamiert und ausgegrenzt, ist unsäglich.

Einerseits wird um Erweckung gebetet – aber Erweckung ohne Propheten und Apostel, wie soll das gehen? Von einer „pastorale Erweckung“ hab ich noch nie gehört… Ganz im Gegenteil neigt die bestens organisiere Pastoren-Kirche dazu, die Leute bis zu Tode zu betreuen, aber nicht „in alle Welt zu senden“ – außer, um irgendwo arme Menschen und Heimkinder zu betreuen. Das ist ja nicht verkehrt, aber kein Ersatz für das Prophetische und Apostolische.

Heute werden die fünf Dienste oder Ämter aus Epheser 4 wieder neu entdeckt, aber den Schriftgelehrten und Pharisäern aller Zeiten wird angelastet, die Gemeinde von diesen mächtigen Dimensionen bzw. Zugkräften abgehalten und zu Tode verwaltet zu haben. Ohne das Prophetische und Apostolische Element, welches man nur schlecht verwalten, geschweige denn kontrollieren kann, wird die Gemeinde von einer Bewegung zu einer Institution. Sie erstarrt in Doktrinen und Regeln, Liturgie und ihrer Endloswiederholung. Sie erlahmt in ihrer Reich-Gottes-Dynamik und verkümmert in ihrer Berufung, das Licht dieser Welt zu sein. In unserer Gesellschaft wird sie kaum mehr wahrgenommen.

Die Kirchenleitung bedauert das sehr und schiebt den raschen Mitgliederschwund auf Faktoren, auf die sei keinen Einfluss hat. Dass sie sich selbst sabotiert und sowohl auf dem apostolischen als auch dem prophetischen Auge blind sein könnte, kommt ihr dabei kaum in den Sinn. Sie interpretiert diese Qualitäten einfach so lange und umständlich, bis sie all die getöteten und verfolgten Propheten und Apostel wieder zurück in ihren Schoß integriert und sich zueigen gemacht hat. Zumeist nach deren Tod. Denn was tot ist, kann man sehr gut verwalten.