Mama X

 

 

heart-947440Nach Beginn der Erweckung gebrauchte der Herr sie in wunderbarer Weise. Allein durch ihren Dienst wurden mehrere Menschen vom Tode erweckt. Einer von ihnen war ein Mann auf der Insel Semau, der ermordet worden war. Seine Feinde hatten sein Trinkwasservergiftet. Als die Familie des Toten Mama X zu sich rief, um für den Verstorbenen zu beten, erweckte ihn der Herr wieder zum Leben.

Ein andermal betete Mama X für ein kleines Kind in Soe, das 24 Stunden tot gewesen war. Der Herr tat an dem Kind das gleiche wundervolle Werk.

Unglücklicherweise wurde aber Mama X sehr aufgeblasen und stolz auf die ihr geschenkten geistlichen Gaben. Als dann auch noch zwei Amerikanerinnen Timor besuchten und hörten, welch mächtige Wunder der Herr durch sie getan hatte, bewunderten sie Mama X und schlugen vor, sie in die Staaten mitzunehmen. Das stieg ihr sehr zu Kopf, und leider muß ich sagen, daß diese Schmeichelei sie richtig verdarb. Sie ging bei allen ihren Freunden umher und prahlte damit, daß sie nach Amerika gehen würde. Sie kam sich tatsächlich besser vor als wir anderen alle. Ihr Stolz ekelte mich geradezu, und ich geriet vor Ärger ganz außer mich.

Eines Tages konnte ich es nicht länger aushalten, und ich lief in das kleine Zimmer, in dem ich wohnte, ließ mich vor Wut auf mein Bett plumpsen und verbarg mein Gesicht in die Kissen. „O Jesus“, schrie ich in meinem Herzen, „warum gebrauchst du diese schreckliche Frau! Sie bringt hier nur Verwirrung in die Gemeinschaft. Warum hast du sie überhaupt an erster Stelle gebraucht, wenn du wußtest, wie sie einmal enden würde? Jesus, du hast einen furchtbaren, schrecklichen Fehler gemacht!“

Jesus ließ mich all meine zornigen Gedanken aussprechen. Aber dann sprach er mit sanften,aber bestimmten Worten in meinem Herzen: „Mein Lieber, du solltest nicht so schlecht darüber denken, daß ich sie gebraucht habe, du solltest dankbar dafür sein. Wenn ich jemanden gebrauchen will, der so „furchtbar“ ist wie sie, dann kann ich auch dich gebrauchen. Doch wenn ich einen sehr hohen Maßstab ansetzten würde und nur vollkommene Leute verwenden würde, dann würdest du nie eine Chance haben. Du verachtest Mama X, weil du nicht meinen ganzen Plan für ihr Leben verstehst.

Ich will dir eine kleine Geschichte erzählen“, fuhr er fort. „Es war ein Bauer, der einen Obstgarten mit Apfelbäumen besaß. Eines Tages nahm er seinen kleinen Sohn mit, um ihn die Bäume anschauen zu lassen. „Wie findest du sie?“ fragte der Vater, als sie Hand in Hand umherschlenderten. „Ach Vater, sie sind einfach furchtbar“, weinte der Kleine. „Diese dummen Bäume geben überhaupt keine schönen Äpfel -nur diese winzigen kleinen grünen Dinger. Vater, ich denke, wir hauen sie am besten ab!“

Doch der Vater lächelte, während er liebevoll an den Stamm eines Apfelbaumes schlug. Er konnte sehen, was sein kleiner Junge nicht sehen konnte. In ein paar Monaten würden diese kleinen grünen Dinger große saftige Äpfel sein. Jetzt waren sie noch nicht reif. Sie hatten aber genau die richtige Größe für die Jahreszeit.

Und nun, mein geliebter Sohn, laß mich dir etwas unumwunden sagen.“ Des Herrn Stimme war sanft, so zart, daß sie mir tief ins Herz schnitt. „Du bist über Mama X außer Fassung geraten, weil du die „kleinen grünen Dinger“ nicht liebst, also den Stolz, den sie jetzt noch hat. Du bist aufgebracht, weil du den Stand ihrer Entwicklung nicht siehst, so wie es meine Augen sehen. Sie macht einen von mir vorausbedachten und geplanten Wachstumsprozess durch. Ich habe die ganze Zeit gewußt, daß sie durch dieses Stadium hindurchgehen wird. Ich weiß, daß sie nicht so bleiben wird. Sie wird weiterwachsen und zu etwas viel Besserem werden als heute. Ich sehe nicht nur das Gegenwärtige, sondern auch das Zukünftige, und ich kann sehen, was für ein wundervolles Kunstwerk meine Liebe aus ihrem Leben machen wird.

Mein Lieber“, flüsterte Jesus nun – ich mußte mich anstrengen, ihn zu hören -, „möchtest du gern meine Meinung über Mama X wissen? Dann schau in deiner Bibel nach im Hohelied 4.7.“

Wissen sie, was ich fand, als ich die Stelle aufgeschlagen hatte? „Du bist ganz wundervoll, meine Liebste, und kein Tadel ist an dir.“ Ich war schockiert. Ich wußte nicht, daß sie so kostbar für Jesus war. Ich schämte mich entsetzlich über mich selbst, weil ich mich so ganz anders ihr gegenüber verhielt wie der Herr. Ich weiß noch, wie ich weinte, als wäre mein Herz zerbrochen. Schließlich erkannte ich, daß ich es war, der eine Wandlung nötig hatte, nicht Mama X. Ich mußte Jesus um Vergebung bitten für meinen Mangel an Liebe und Verständnis und auch dafür, daß ich sie nicht auf die Weise angenommen hatte, wie er…

Andere Menschen durch Jesu Augen sehen und sich auf das herrliche Endprodukt zu konzentrieren, das sie mit Gottes Hilfe werden, das meint Jesus, wenn er zu uns sagt, wir sollen andere Menschen so lieben, wie er es tut (Joh.15.12).

(Quelle: „Wie ein Sturmwind“, Mel Tari, 1985 Verlag Ernst Franz, S.115f)